Freitag, 30. Juli 2010                                                                    Sonnenschein, warm

Wir haben ganz gut geschlafen und bekommen ein sehr gutes Frühstück. Stella hat uns Eier mit Speck gebraten, außerdem gibt es Toast mit Marmelade oder Käse und verschiedene Cerealien. Wir unterhalten uns gut mit ihr und erfahren, dass sie gebürtig auch aus Europa (genauer England) stammen und schon in sehr vielen Regionen Kanadas gelebt haben, da George als Pfarrer meistens nur für fünf Jahre in einem Ort tätig ist. Zwischendurch hören wir dann unseren Gastgeber im lokalen Radio, denn er ist für 20 Minuten auf Sendung und berichtet über örtliche Ereignisse und Veranstaltungen.

Dann wird es Zeit für unsere Tour. Wir werden mit einem Bus zum Startplatz des Tundra Buggys gebracht, der etwa 20 Minuten von Churchill entfernt liegt. Wie versprochen sind wir nur 17 Personen und da der riesige Buggy 40 Plätze hat, hat jeder eine Bank und somit einen Fensterplatz für sich. Außerdem gibt es hinten eine Plattform, auf der man im Freien stehen kann. Der Buggy hat riesige Reifen und eine Bodenfreiheit von etwa zwei Metern. Dave, unser Fahrer (ebenfalls ein Engländer) erklärt uns, dass er die Tour heute anders herum als normal fahren will, da die Flut kommt und deshalb vielleicht Bären vom Meer zurück kämen. Das soll uns natürlich Recht sein! Anfangs kommen wir an vielen Gänsen, Enten und jeder Menge anderer Vögel vorbei, die uns nicht allzu sehr interessieren. Einige der anderen Fahrgäste sind jedoch ganz aufgeregt, denn anscheinend sind auch etwas seltenere Vögel dabei. Wir sind unterdessen mehr fasziniert von der Landschaft und dem Fahrzeug, denn wir fahren über Stock und Stein und machen auch vor relativ hohen Wasserpfützen (teilweise schon richtigen kleinen Seen) nicht halt. Plötzlich stoppt Dave und nimmt das Fernglas. Dann meint er, er habe einen Polarbären gesehen und fährt in diese Richtung. Es dauert noch ein paar Minuten, aber dann sind wir an der Stelle, die er meinte. Und tatsächlich, es ist ein Eisbär! Er ist inzwischen leider ins Wasser gegangen und schwimmt langsam von uns weg. Hier bräuchte man jetzt ein besseres Teleobjektiv! Aber ein paar Aufnahmen gelingen mir trotzdem und mit dem Fernglas kann man ihn sehr gut beobachten, zumal er an einer Landzunge wieder aufs Festland geht. Wir sind sehr beeindruckt und Dave lässt uns auch genügend Zeit, um ihn zu beobachten. Dann fahren wir weiter und schon nach ein paar Minuten sichtet jemand einen zweiten Bären. Er sitzt auf der anderen Seite eines größeren Sees. Dave fährt mit seinem Buggy kurzerhand direkt auf ihn zu, also direkt ins Wasser. Er stoppt etwa in einer Entfernung von 20 Metern, was den Bären überhaupt nicht zu stören scheint. Im Gegenteil, er steht auf und sucht sich ein Plätzchen direkt vor den schön lila blühenden Fireweeds, um uns ein besonders schönes Foto zu präsentieren. Er leckt sich, gähnt, wehrt die lästigen Horseflies ab und räkelt sich gelangweilt. Ihm ist es sichtlich zu warm, was kein Wunder ist, denn wir haben strahlend blauen Himmel und sicher weit über 20°C. Dann steht er auf, läuft ins Wasser und kommt dabei auf uns zu. Er trinkt jedoch nur Wasser und geht dann wieder ans Ufer, setzt sich erst, schaut und legt sich dann wieder hin. Es ist einfach nur toll und wir stehen über eine Stunde dort und beobachten das schöne Tier. Es gibt Sandwiches und wir genießen unser Lunch im Angesicht eines Eisbären! Das hat man auch nicht alle Tage! Obwohl es uns schwer fällt, fährt Dave dann schließlich weiter, was allerdings nicht so ganz einfach ist, denn wir stehen ja schließlich mindestens einen Meter im Wasser. Er fährt rückwärts wieder aus dem Wasser heraus, denn vorwärts ist es auch ihm nicht ganz geheuer. Er möchte ein kleines bisschen weiter, zum sogenannten Polar Bear Point, denn er hat noch eine Suppe, die er lieber auf festem Boden servieren will. Es sind nur ein paar Minuten bis dahin, da der Bär aber weit genug weg ist, dürfen wir sogar aussteigen. Einige Mitfahrer interessieren sich für die Blumen, von denen es hier erstaunlich viel gibt. Die Landschaft sieht wirklich schön aus, die bunten Blumen, der Sonnenschein, die vielen Wasserstellen und das Meer ergeben zusammen ein prächtiges Farbenspiel. Wir sind noch nah genug, um den Bären mit dem Fernglas sehen zu können. Er steht auf, läuft etwas umher und macht sich dann geradeswegs auf den Weg in unsere Richtung. Dave ruft erste einmal alle wieder in den Buggy und klappt die Leiter hoch. Und tatsächlich, der Eisbär kommt langsam und gemächlich auf uns zu. Es ist spannend, ihm zuzuschauen. Er hat keine Scheu vor diesem riesigen Gefährt und läuft direkt neben ihm entlang. Er bleibt immer wieder stehen und schaut zu uns hoch, anscheinend ist er sehr neugierig. Nun  ist er näher als die Grizzlys, die wir schon so oft am Fish Creek beobachtet haben. Einfach phantastisch! Er hat ganz schwarze Füße, denn sein Weg führte ihn durch ziemlichen Matsch. Langsam geht er am Auto vorbei schaut sich noch ein paarmal um und macht sich auf in Richtung Meer. Da inzwischen wieder Ebbe ist, hat er jedoch noch einen ziemlichen Weg zu laufen. Was für ein Erlebnis! Und das zu einer Zeit, in der man diesen Bären nur mit viel Glück begegnen kann. Im Oktober und im November, wenn sie hier warten, dass der Hudson Bay zufriert, ist die Wahrscheinlichkeit wohl fast 100%, aber jetzt! Wir fahren zurück, sehen noch jede Menge Vögel und sind gegen 16.45 Uhr wieder am Startpunkt. Hier steigen wir in den Bus um und Dave fährt auf der Rückfahrt sogar noch zu „Miss Piggy“, einem Flugzeug, dass 1979 zwischen den Felsen am Strand notgelandet ist. Ein Triebwerk fiel kurz nach dem Start aus und das verbleibende zweite reichte nicht aus, um das Flugzeug sicher zu landen, da es (wie anscheinend immer, deshalb der Name) völlig überladen war.

Was für ein Tag! Als wir schließlich wieder am Office von Tundra Buggys sind, kaufe ich einen neuen Bärenkalender für 2011, diesmal jedoch einen mit Eisbären und nicht mit Grizzlys. Auf das Abendessen verzichten wir heute, denn wir sind doch etwas müde und haben auch nicht so richtig viel Hunger.